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Die Sokratische Methode

 

Die Sokratische Methode, wie sie Platon formulierte, ist eine Methode des Fragenstellens welche zu kritischem Denken und (Selbst-)Analyse anregt. Ursprünglich wurde die Methode zum besseren Verständnis der Philosophie entwickelt, doch sie kann auch im Alltag oder eben im Aktivismus verwendet - z.B. beim Ansprechen von Pelzträgerinnen.

Hier sind die 5 Schritte des Sokratischen Dialogs (vereinfacht):

1. Empfangen / Zuhören

Wir stellen eine Frage und “empfangen”, was die angesprochene Person darauf erwidert. Das heisst, dass wir der Person wirklich zuhören müssen - also aufmerksam sein und registrieren, was genau das Argument / die Prämisse der Person ist. 

Beispiel-Dialog mit A = Aktivist:in / B = Pelzträger:in

A: “Darf ich dich fragen, warum du Pelz trägst?” - B: “Weil es mir gefällt.” 

2. Reflektieren / Argument definieren

Wir “reflektieren” das Argument der Person, also wir nehmen es auf und spiegeln es ihr dann zurück. Dazu müssen wir ev. nachfragen bzw. die Person dazu auffordern, ihr Argument noch weiter auszuführen. Danach wiederholen wir die Aussage.

A: “Du trägst also Pelz, weil es dir gefällt. Kannst du das ausführen, wieso es dir gefällt?” - B: “Naja, es sieht halt gut aus.” - A: “Du trägst also Pelz, weil es gut aussieht. ” - B: “Genau.”

 

Folglich ist Argument 1 = "Wer Pelz trägt, sieht gut aus".

3. Vertiefen / Nachfragen

Nun möchten wir das Gespräch vertiefen und die Person dazu zu bringen, ihr Argument zu belegen. Wir möchten herausfinden, wieso sie dieser Meinung ist oder sich so verhält. Dabei kommt oft heraus, dass ihre Prämisse eher auf Annahmen als auf Tatsachen beruht - und diese Annahmen können wir herausfordern.

A: “Aber bist du denn sicher, dass es gut aussieht? Ich meine, weisst du das sicher?” - B: “Meine Freunde sagen das halt.” -  A: “Ok. Aber das ist ja nur deren Meinung. Andere Leute könnten z.B. denken, dass es nicht gut aussieht. Ich denke z.B., dass du ohne Pelz besser aussehen würdest.”

 

Um Widersprüche aufzuzeigen, können wir weitere Fragen stellen. Das sind oft ganz einfache Warum-Fragen. Z.B.: “Warum denkst du das?”. Wenn einem die Warum-Frage zu konfrontativ erscheint, kann man es auch umformulieren, z.B.: “Wie kommt es, dass du das denkst?” 

 

B: “Das ist mir egal.” - A: “Wie kommt es, dass dir das egal ist?” 

Um eine Aussage herauszufordern, muss man manchmal gegenteilige Beweise liefern. Diese sollten wenn immer möglich als Fragen formuliert sein. So können wir die Person z.B. fragen, ob es eine Ausnahme gibt, welche ihre Theorie / Prämisse widerlegt. Wir können auch selbst eine Ausnahme vorschlagen und dann diese wiederum vertiefen. 

A: “Du trägst also Pelz, weil es gut aussieht. Aber könnte man auch gut aussehen, ohne Pelz zu tragen?” - B: “Ja.” - A: “Du findest also, man muss keinen Pelz tragen, um gut auszusehen. Warum trägst du ihn dann?” - B: “Keine Ahnung, weil es einfach besser aussieht damit!” 

Folglich ist Argument 2 = "Wer Pelz trägt, sieht besser aus".

4. Reformulieren / Neu Definieren

Mit unseren Fragen bringen wir die Person dazu, ihre Position zu reformulieren. Wenn sie selbst eingesehen hat, dass erste Prämisse falsch war (Argument 1), können wir sie auffordern, eine zweite Prämisse zu bestätigen (Argument 2).

 

5. Wiederholen

Nun, da die Person eine neue Prämisse hat, können wir wieder von vorne anfangen. Wir können die neue Prämisse widerlegen, indem wir Warum-Fragen stellen und die Person bitten, ihre Aussagen zu belegen. So wird aus dem Dialog ein Kreislauf, der den wahren Ursachen auf den Grund geht. Sie kann so lange weitergehen kann, bis sich die Person selbst merkt, dass sich in ihrem Denken Widersprüche eingeschlichen haben.

A: “Du trägst also Pelz, weil du findest, dass du damit besser aussiehst.” - B: “Genau.” - A: “Das heisst, du findest es auch OK, Pelz zu tragen, um besser auszusehen.” - B: “Ja, voll.” 

Folglich ist Argument 3 = "Es ist OK, Pelz zu tragen, um besser auszusehen".

A: “Wenn es also ok ist, Pelz zu tragen, um besser auszusehen - ist es dann auch ok, Tiere zu töten, um besser auszusehen?” - B: “Nein.” - A: “Du findest also, man darf keine Tiere töten, nur um besser auszusehen. Darf man denn jemanden bezahlen, um Tiere zu töten, um besser auszusehen? - B: “Nein…” - A: “Wieso trägst du dann Pelz?” - usw. 

 

Die sokratische Methode ist ein wenig wie ein Spiel, bei dem möglichst viele Warum-Fragen gestellt werden müssen. Der Sinn ist dieser Fragen ist es jedoch nicht, dem Gegenüber damit auf die Nerven zu gehen, sondern die wahren Hintergründe seiner Verhaltens oder seiner Meinung zu ergründen. Oft stellt sich beim ewigen Nachfragen heraus, dass dieses Verhalten / diese Meinung gar nicht auf Tatsachen beruht, sondern auf Annahmen, die wir wiederum durch Fragen herausfordern und widerlegen können. Nur, indem wir die Menschen mit ihrer eigenen Logik konfrontieren, können wir etwas in ihnen auslösen.

Nicht, indem wir die Moralkeule schwingen.

 

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