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Das eine tun und das andere nicht lassen - Ein Workshop zum Anti-Pelz-Aktivismus

Aktualisiert: 4. Feb. 2020

Wer kennt ihn nicht in der Schweizer Anti-Pelz-Szene: Robert Rauschmeier, der Idealist, der Humanist, der seit Jahren an vorderster Front für die Tiere kämpft und uns immer wieder mit neuen, eigenwilligen Formen des Strassenaktivismus überrascht. Nebst wiederholten, unermüdlichem Einsatz im Rahmen der Anti Fur League und im OK der"Demo für eine pelzfreie Schweiz" hat sich Robert im Einzelaktivismus, insbesondere im Ansprechen von Pelzträger*innen spezialisiert. Folgendes konnten wir am ersten Workshop zum Pelzaktivismus von ihm lernen.


Das Mindset und die 3-Sekunden-Regel


Zum Ansprechen von Pelzträger*innen gehört ein gewisses Mindset, also eine innere Einstellung - v.a. wenn man das Gespräch auf Augenhöhe sucht - weil dies eine sehr schwierige und anstrengende Form des Strassenaktivismus ist. Kein Wunder, getrauen wir uns nicht alle: Es ist schwer für uns, aus der Reihe zu tanzen, aufzufallen, und dabei immer wieder mit negativen Reaktionen und gefühlten "Misserfolgen" konfrontiert zu werden. Bei Robert ist dieses Mindset der "pädagogische Optimus".


Er glaubt daran, dass wir alle grundsätzlich lernfähig sind, und dass wir somit auch einen grossen Teil der Leute im Gespräch erreichen können. Auch wenn die Reaktionen oft negativ oder abweisend sind, ist er überzeugt, mit jedem Gespräch einen "Samen" zu setzen. Man wisse aus der Hirnforschung, insistiert er, dass es immer mehrere Inputs braucht, um jemandem von einer Sache zu überzeugen - und so sieht er jedes Gespräch, jeden Flyer - aber auch jeden Sticker, jedes wütende Wort werden - als einen Input. Diese Einstellung macht es einfacher, mit negativen Reaktionen umzugehen - aber man muss sie auch noch haben. Weil dies nicht immer der Fall ist, findet Robert, sollte sich auch niemand zum Ansprechen verpflichtet fühlen. Es gibt genug Möglichkeiten, gegen Pelz aktiv zu sein.


Über die 3-Sekunden-Regel gibt es eigentlich nur Folgendes zu sagen: Wenn du dich entschliesst, jemanden anzusprechen, dann tu es innerhalb von 3 Sekunden. Überleg' gar nicht lange, wie du es tun sollst - sondern tu es einfach. Denn danach sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass du es tust, rasant.



Strategie: Die gewaltfreie Kommunikation


Bei der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) geht es darum, "eine wertschätzende Beziehung zum Gegenüber zu entwickeln. GFK soll in diesem Sinne sowohl bei der Kommunikation im Alltag als auch bei der friedlichen Konfliktlösung im persönlichen, beruflichen oder politischen Bereich hilfreich sein". (Zitat Wikipedia) Dementsprechend soll der Einstieg ins Gespräch mit einem/einer Pelzträger*in auf jeden Fall freundlich erfolgen. Wir wollen nicht direkt "angreifen", sondern dem Gegenüber zunächst einmal vermitteln, dass wir sie ernst nehmen - und dass uns bereits so einiges verbindet.


In der Praxis geht das so: Statt jemanden direkt auf der moralischen Ebene zu kritisieren, kommunizieren wir in Ich-Botschaften und erzählen, was wir beobachten und was unsere Gefühle dabei sind. Wir wollen nach wie vor über die Gräueln der Pelzindustrie informieren, formulieren es aber anders. Zum Beispiel:

"Ich habe gesehen, dass du Pelz trägst und muss dich deshalb ansprechen, weil es mir jedes Mal weh tut, wenn ich solche Pelzkrägen sehe. Ich muss dann immer an die Bilder aus den Pelzfarmen denken, wie die Tiere dort leiden, wie sie lebendig gehäutet werden. Es versetzt mir immer einen Stich im Herz, wenn ich mir vorstelle, dass diese Menschen es vielleicht gar nicht wissen. Wer würde schon Werbung für Tierquälerei machen, wenn er es wüsste?"

Es gehört viel dazu, jemanden zu respektieren und ernst zu nehmen, dem das Tierleid so egal ist, dass er/sie Pelz trägt. Viele von uns können das nicht: Und wenn man zu erfüllt ist mit Wut, ist es keine gute Idee, sich zu dieser Art von Kommunikation zu zwingen. Wenn man jedoch, wie Robert, mit einer einem gesunden Optimismus gesegnet ist, und an das Gute im Menschen glaubt, kann diese Strategie helfen, Pelzträger*innen im Gespräch zu erreichen. Wenn auch die Mehrheit Bescheid weiss gibt es immer noch einzelne, die sich tatsächlich nicht bewusst sind, dass sie Echtpelz tragen oder was dahinter steckt.



Strategie: Idiolektik und Sokratische Methode


"Idiolektische Gesprächsführung ist eine Gesprächsform mit Augenmerk auf der Eigensprache, dem sogenannten Idiolekt des Gesprächspartners. Die Fragetechnik besteht aus einfachen, kurzen und offenen Fragen, in denen die Eigensprache des Sprechenden aufgegriffen wird. (-) Zentral ist dabei das Halten der Resonanz und das Zurückstellen von eigenen Impulsen oder Anregungen." (Zitat Wikipedia)

Mögliche Fragen sind:

„Wie meinst du das, du findest es schön? Ich kann das nicht nachvollziehen...“„Was meinst du mit cool, kannst du mir ein Beispiel geben? Ich finde es zum Beispiel cool, wenn Menschen aus Überzeugung handeln...“„Du sagst, die anderen tragen auch Pelz - wäre es ein Problem für dich, nicht wie die anderen zu sein?“„Du hast also schon von der Pelzindustrie gehört, wie hast du recherchiert? Und wo?

Indem wir Aussagen des Gegenüber wiederholen, Fragen zum besseren Verständnis stellen dabei möglichst seine/ihre Worte verwenden, schaffen wir einen Raum, indem sich der/die Angesprochene ernstgenommen fühlt. Dies motiviert ihn/sie, auch uns ernst zu nehmen, weil wir sie nicht bloss belehren/kritisieren, sondern den Anschein erwecken, uns wirklich für sie zu interessieren.


Bei der Sokratischen Methode handelt es sich ebenfalls um eine Art der Gesprächsführung, die den Fokus aufs Fragestellen legt. Dabei gehen wir von der Prämisse aus, dass der/die Pelzträger*in eine Annahme macht - bzw., etwas zu wissen glaubt - was in Wahrheit gar nicht stimmt (z.B, dass Pelztragen in Ordnung ist). Nun müssen wir ihn/sie mit Hilfe seiner eigenen Logik davon überzeugen, dass seine Annahme falsch ist. Das tun wir, indem wir Fragen stellen, die das Gegenüber mit "Ja" beantworten muss, weil sie allgemein als wahr gelten. Ein Beispiel:


Aktivistin: Findest du es in Ordnung, Pelz zu tragen?

Pelzträgerin: Ja.

A: Und weisst du auch, was in der Pelzproduktion so passiert?

P: Ja, ich habe schon etwas davon gehört.

A: Darf ich fragen, was du genau gehört hast?

P: Halt dass es da zum Teil Tierquälerei gibt und so.

A: Und daran glaubst du nicht?

P: Doch, aber es ist mir egal.

A: Darf ich fragen, wieso dir das egal ist?

P: Ist einfach so.

A: Darf ich fragen, ob du auch schon einen Hund/eine Katze gehabt hast? (Oder kennst du jemanden...)

P: Ja.

A: Stell dir vor, jemand nimmt dir diesen Hund / diese Katze weg, sperrt ihn für den Rest seines Lebens in einen winzigen Käfig und zieht ihm dann lebendig die Haut ab, um den Pelz zu tragen. Würde dich das nicht wütend machen?

P: Doch...

A: Findest du nicht auch, dass man Tiere nicht unnötig quälen sollte?

P: Doch. Aber es gefällt mir.

A: Findest du nicht auch, dass ein Leben wichtiger ist als ein Fashion-Statement?

P. Doch.

A: Aber ist Pelztragen nicht auch ein Fashion-Statement...?


Grundsätzlich ist die Technik also folgende: P. hat einen Glaubenssatz A (dass Pelztragen ok ist), im Gespräch finden wir aber heraus, dass P. auch noch andere Sachen "glaubt" (dass man Tiere nicht unnötig quälen soll, dass ein Leben wichtiger ist als ein Fashion-Statement, etc.). Nennen wir diese Glaubenssätze B, C und D. Durch das Stellen von "naiven" Fragen oder Aussagen, mit denen das Gegenüber einverstanden sein muss, zeigen wir auf, wie B, C und D implizieren, dass A nicht stimmt.



Das eine tun und das andere nicht lassen


Um es zum Schluss noch einmal zu betonen: Ansprechen ist nicht für alle. Robert geht mit mutigem Beispiel voran, betont aber auch immer wieder die Wichtigkeit, den eigenen Weg zu finden. Sein Credo: Das eine tun und das andere nicht lassen. Es gibt viele Arten, gegen Pelz aktiv zu sein, vom Flyern bis hin zur kreativen und administrativen Aufgaben im Rahmen einer Organisation wie der Anti Fur League. Wenn du noch keine Erfahrung hast im Anti-Pelz-Aktivismus und dich gerne mit anderen Aktiven vernetzen möchtest, schreib uns eine Mail auf info@antifurleague.org.


Eine lange Version vom Workshop gibt's hier.

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